samedi 14 février 2015

Lil Sams Erlebnisse, ein Auszug

Sam mochte sich zwar in der letzten Zeit zu einem harten Hund entwickelt haben, aber es gab immer noch genug Dinge, die ihm Angst einflössten, oder zutiefst anekelten.

Er hockte in der hintersten Ecke seiner Zelle auf dem rostigen Feldbett und zog die Beine eng an seinen Körper heran. Dabei beobachtete er voller Abscheu das dreckige Plumpsklo, das sich an der Wand gegenüber befand.

Seine Knie schmerzten und er wagte es, die Beine für einen kurzen Moment auszustrecken, ohne dabei den Boden zu berühren. Falls das Ding, was ihm Angst einjagte, bereits unter seinem Feldbett wäre, würde es ihm sicher ins Hosenbein krabbeln, dachte er sich.

Unsinn, es ist in das Plumpsklo rein gelaufen und nicht wieder herausgekommen.



Ein kalter Schauer glitt Sam über den Rücken und er schüttelte sich. Dass die Betonwand, an die er lehnte, kalt und feucht war, machte die Sache nicht angenehmer. Es müssen etwa zwei bis drei Stunden vergangen sein, seitdem Colluccis Wachen ihn in dieses dreckige Loch geschleppt hatten, aber gefühlt war es eine Ewigkeit her.

Jedenfalls lang genug, damit der Schimmel an den Wänden und die Feuchtigkeit auf seine Bronchien einwirken und ein rasselndes Feuerwerk an Husten auslösen konnten. Nichts desto Trotz: Ne Zigarette könnte ich jetzt gut gebrauchen.



Kurz wendete Sam seinen Blick von dem voll geschissenen Plumpsklo ab (die Kackreste waren dort eingetrocknet. Hatte Collucci hier schon weitere Gefangene gehalten, oder haben seine Wachen hier ab und zu geschissen?), um zum kleinen Fenster in der Zellentür zu schauen. Nichts.

Außer dem Licht und der einigermaßen frischen Luft, die durch diese kleine Öffnung in die Zelle schwebte, war nichts zu sehen. Kurz ging ihm der Gedanke durch den Kopf, seinen Arm durch die quadratische Öffnung zu stecken und zu versuchen, von außen die rostige Metalltür zu öffnen. Er war sich ganz sicher, eine einfache Türklinke gesehen zu haben, als die beiden bewaffneten Gorillas ihn zu dem modrigen Loch schleppten, in das er nun saß.

Sie war sicher nicht verriegelt. Dass er die Tür nicht einfach von Innen öffnen konnte, lag nur daran, dass es auf seiner Seite keine Türklinke gab.

Ob aber in dem Flur draußen eine der Wachen stand, wusste er nicht. Ab und zu konnte Sam Geräusche vor seiner Zellentür hören, die sich anhörten, wie ein Schnauben, oder ein Rascheln von Kleidung. Aber genauso gut konnten es Windzüge, oder knarrende Abwasserrohre sein, die sich dort draußen befanden.

Das einfachste wäre gewesen, zu der Tür zu gehen und aus dem kleinen Fensterchen zu glotzen. Aber damit hätte Sam riskiert, nähere Bekanntschaft mit dem Wesen zu machen, dass sich hoffentlich immer noch in der Toilette befand (oder besser noch: in der Brühe aus Scheiße ersoffen wäre).



Wenn man vom Teufel spricht, dachte sich Sam, als am Rand des Plumpsklos zwei scheußliche Antennen zum Vorschein kamen, die die Luft nach Schwingungen abtasteten. So sah es für Sam jedenfalls aus. Bei dem fahlen Licht und der geringen Größe des Objektes hätte jeder andere Mensch keine Notiz davon genommen. Aber für Sam war das kleine Monster einfach riesig und dessen Anblick so Ekel erregend, dass er den Drang zum Schreien verspürte.

Einmal war eine Wespe in den Kragen seiner Jacke gekrabbelt, als Sam durch die belebte Innenstadt spazierte. Dabei geriet er dermaßen in Panik, dass er Passanten über den Haufen rannte und sich fast nackt auszog, um das Tier loszuwerden.

Aber diesmal konnte er nicht weglaufen. Und das Viech, das da aus dem Scheißloch emporkam, war mindestens drei mal so groß, wie eine Wespe. In Sams Augen war es so groß, wie eine Maus, oder eine Ratte. Aber der Vergleich mit der Maus kam in etwa tatsächlich hin.



Nun hockte Sam nicht mehr auf dem quietschenden Feldbett, er stand drauf. Dicht an die feuchte Wand gepresst. Seine braunen Haare berührten bereits die Betondecke und die Federn des Bettes gaben knarrend unter seinem Gewicht nach.

Oh Gott, wie widerlich, verriet sein verzerrtes Gesicht. Kaum auszudenken, was passieren würde, wenn dieses Viech direkten Kurs auf das Bett nehmen würde.



Die riesige, schwarz braune Kakerlake verließ das Plumpsklo und huschte wie ein ferngesteuertes Spielzeugauto in Richtung Zellentür, wo sie hergekommen war. Sie war schnell. Ekel erregend schnell.

„Ja, …..ja los! Verpiss dich! Verschwinde von hier, du ekelhafte Missgeburt!“, flüsterte Sam vor sich her. Aber das vermaledeite Insekt blieb kurz vor der Tür stehen und tastete mit seinen Fühlern, so lang wie Finger, den Boden ab. Dieser Anblick allein reichte schon fast aus, um Sams Frühstück aus dem Magen zu katapultieren.



Dann, als könnte die Riesenschabe Sams Gedanken lesen, drehte sie ihren mausgroßen Körper um und krabbelte in schnellen Zick Zack Bahnen unter das Feldbett. „Fuck!!!!“, schrie Sam laut aus und sprang mit einem gewaltigen Satz vom Bett runter. Dabei stieß sein Schädel schmerzhaft gegen die Betondecke und er knallte letztendlich gegen die Zellentür.

Kalte Schweißbäche entluden sich aus seiner Stirn und seine Zehnägel kräuselten sich förmlich.

Da stand er nun, eingesperrt in einer kleinen Zelle, zusammen mit einem hässlichen Rieseninsekt. Lieber wäre er in einer Grube mit hunderten Schlangen gelandet, oder in einem Nest voll mit Ratten.

„Wenn ich das Mistvieh nicht zerquetsche, dann werde ich keine Ruhe hier drin haben“, dachte sich Sam. Aber allein die Vorstellung, dieses Ding mit einem beherzten Fußtritt zu Brei zu treten, löste Kotzkrämpfe in ihm aus. Es schüttelte ihn gerade zu bei dem Gedanken, wie der Panzer dieser Kreatur unter seinen billigen Turnschuhen knacken würde.

Boah, widerlich.



Doch ehe er sich weiter in seine panischen Mordpläne gegenüber der Riesenkakerlake hineinsteigern konnte, öffnete sich mit einem lauten Quietschen die rostige Metalltür seiner Zelle, an die er sich presste und er fiel rückwärts nach hinten.

Das helle Licht des Kellerflures blendete seine Augen, die sich an die Dunkelheit in der Zelle gewöhnt hatten, also kniff er sie zusammen. Nun war er selbst nichts weiter als ein großer Käfer, der hilflos auf dem Rücken lag und strampelte, während er mit einer Hand die brennenden Augen schützte.



„Was machst du, Wixer? Steh auf!“, sagte einer der Gorilla, die ihn zuvor in die Zelle schleppten. Vom anderen Typen war nichts zu sehen. Eine einzelne Wache mit einer Beretta in der Hand genügte voll und ganz, um sich um den ungebeteten Gast zu Kümmern.

Sam tat, wie ihm befohlen wurde, und stand auf. Erleichterung machte sich in ihm breit, dass er der Killerkakerlake entkommen war. Auch wenn das bedeutete, dass er nun wahrscheinlich für seinen Einbruch in Colluccis Villa büßen musste.

Der große, breitschultrige Kerl mit der Waffe in der Hand musterte Sam mit bösem Blick. Anhand seines Akzentes und den markanten Gesichtszügen wusste Sam, dass der Typ Russe war. Oder vielleicht Pole, oder was auch immer aus den slawischsprachigen Ländern.

Sich gegen ihn zu wehren wäre keine gute Idee gewesen. Selbst ohne die 9 mm Pistole in der Hand, hätte Sam gegen den großen Brocken von Mann keine Chance gehabt. Er sah, wie die Muskeln unter seinem schwarzen T-Shirt spielten, selbst im ruhenden Zustand.



„Los! Geh!“, forderte der Gorilla und stupste Sam dabei mit dem Lauf seiner Waffe an.

Der Weg führte zurück durch den dunklen Kellerflur, an dem sich links und rechts jeweils zwei weitere Zellen befanden. Doch anstatt die schmale Treppe am Ende hinauf zu gehen, wo er einige Stunden zuvor hinunter geprügelt wurde, drängte der grobe Wachmann ihn zu einer weiteren rostigen Metalltür, in dem er Sam am Arm packte.

„Dadurch, los! Durch die Tür!“

„Ist ja gut….Arschloch“, murmelte Sam vor sich her.

„Was hast du gesagt?“

Keine gute Idee, den Kraftprotz mit der Kanone in der Hand zu beleidigen. Also hielt Sam das Maul, öffnete die verdammte Metalltür und ging hindurch.



Es war stockdunkel, und das von hinten einfallende Licht gab lediglich die ersten Stufen einer Metalltreppe preis, die weiter nach unten führte. Ein wohlbekannter Geruch stieg ihm in die Nase.

Seitdem Sam von den Wachen geschnappt und in die Zelle gebracht wurde, vernahm er ein hintergründiges Rauschen, das scheinbar aus den Abwasserrohren im Kellerflur herrührte. Aber jetzt war dieses Geräusch lauter und schien von weit unten herzukommen. Es klang, wie ein tosender Wasserfall.

Aus dem Augenwinkel sah Sam den muskulösen Arm des Gorillas, der an ihm vorbei griff und einen Lichtschalter an der rechten Wand betätigte. Als Sam sich zu dem Wachmann umdrehte, konnte er direkt in die rechteckige Visage mit den eisblauen Augen sehen, die sich unter einer dicken Stirnwulst befanden.

Zlatko….ging ihm durch den Kopf. Wahrscheinlich würde der Typ Vitali heißen, oder Boris, oder sonst was in der Richtung. Aber Sam befand den Namen Zlatko für passend.

Ob Zlatko wirklich so ein ********* ist? Oder macht er diesen Job nur für das gute Geld, was Mr. Collucci seinen Wachen zahlt?

Ach was…Typen wie Zlatko sind Söldner und Ex Knastis, die für ne handvoll Kohle sogar Kinder umbringen würden. Natürlich ist das ein *********.



Sam drängte seine Gedanken über den Wachmann bei Seite und ging die geriffelten Metallstufen bereitwillig nach unten, bevor Zlatko ihn wieder dazu „ermuntern“ würde. Die Betonwand sah nicht so verdreckt und schimmlig aus, wie der Flur weiter oben, und die Metalltreppe wirkte irgendwie neuwertig. Auch schienen die Lampen, die den Tunnel beleuchteten, neuwertiger zu sein, als die Kellerlampen weiter oben. Dieser Weg nach unten musste nachträglich vor nicht allzu langer Zeit gebaut worden sein.

Colluccis Villa hielt sicher noch viele Überraschungen bereit.



Unten angelangt, geschätzte hundert Meter unter dem Erdboden, befand sich eine weitere Metalltür. Nicht so rostig wie die weiter oben.

„Aufmachen!“, forderte Zlatko und klatschte Sam dabei mit dem Handrücken volle Kraft gegen den Nacken. Er zuckte zusammen, sagte aber nichts dazu. Wahrscheinlich war das die Revanche für das „Arschloch“, das Sam ihm weiter oben entgegen gemurmelt hatte.

Sam tat, wie ihm geheißen.



Nach einem weiteren kurzen Flur fand sich Sam in einer riesigen Halle wieder, in der das tosende Geräusch von Wasserfällen extrem laut war und der salzige Geruch von Meer in der Luft lag, vermischt mit Chlorgestank. Der Boden bestand aus olivgrünen Fliesen und erstreckte sich über eine Fläche in der Größe eines Fussballfeldes.

Große Halogenstrahler, die in vielen Metern Höhe an der Betondecke installiert waren, gaben ihr grelles Licht ab und beleuchteten das, was an dieser Halle wirklich interessant war: ein riesiges Schwimmbecken, dessen Wasser durch die dunkelblauen Fliesen tiefblau, fast schwarz gefärbt schien. Als Sam von Zlatko weiter zu dem Becken gedrängt wurde, konnte er den Grund des Beckens nicht erkennen. Nur die dunkelblaue Tiefe, wie er sie vom Meer her kannte. Und dass es sich tatsächlich um Salzwasser handelte, verriet ihm der typische Meeresgeruch.

Ist das Colluccis Swimmingpool?, ging ihm durch den Kopf. Das Sprungbrett, das sich in einigen Metern rechts neben dem gewaltigen Schwimmbecken befand, sprach jedenfalls dafür. Aber die anderen Details ließen eher darauf schließen, dass das kein Schwimmbad war. Jedenfalls keines für Menschen.

Am linken Beckenrand befand sich eine glänzende Metallleiter, die tief in das Wasser hinabführte. Das Ende der Leiter konnte Sam nicht erkennen, sie schien sich in der Schwärze des Wassers aufzulösen. Aber gleich daneben ragte eine dieser gelben Balken aus dem Wasser, auf denen üblicherweise mit schwarzen Ziffern die Tiefe eines Beckens angegeben wird. Als Sam am oberen Ende der Skala 99 Meter ablas, wurde ihm kurzzeitig übel. „Heilige Scheiße“, sprach er laut aus. Wofür zum Geier braucht man ein fast hundert Meter tiefes Becken?

Sam sah sich fragend zu Zlatko um, aber der grinste ihn nur hinterhältig an. Dabei entblößte er eine Reihe gelber, kleiner Zähne und wirkte noch hässlicher, als zuvor.

Am anderen Ende des Beckens (das Einen gefühlten Kilometer entfernt lag), stiegen mehrere große Metallrohre aus dem Wasser empor und reichten bis an die hohe Betondecke, in der sie verschwanden. Aus zwei großen, mannshohen Rohren, die direkt der Wand entsprangen, entluden sich gewaltige Wassermassen direkt in das Becken, woher das tosende Rauschen herrührte. Wahrscheinlich war das so etwas wie ein Filtersystem bei Aquarien, nur in Großformat, dachte sich Sam. Heilige Scheiße

Was Sam aber gewaltig zum Rätseln brachte, war eine metallene Rutsche, die in einiger Höhe an der rechten Seite der Schwimmhalle der Wand entsprang und direkt ins Wasser hinunter führte. Am oberen Ende befand sich eine Luke.



„Hi Ho, mein Freund“, rief eine krächzende Stimme von einer der weiteren Türen, die in die Schwimmhalle führten. Als Sam sich zu ihr umdrehte, grinste Zlatko nicht mehr, sondern packte ihn am Arm und presste ihm den Lauf der Beretta in die Niere. Das tat weh.

Mit schnellen Schritten trabten Collucci und seine Lakaien heran.

Antonius Collucci. Einer der wahnsinnigsten und reichsten Gangsterbosse, die die Welt je erleben würde. Er hatte wieder dieses dämonisch gutgelaunte Grinsen aufgesetzt, hinter dem sich die tiefe Bösartigkeit eines Psychopathen verbarg. Jack Nicholson in The Shining ging Sam durch den Kopf, als er diesen bösartigen Mistkerl sah.

Colluccis silbergraue Haare wippten beim gehen und er kramte irgendwas aus dem Inneren seines violetten Jacketts hervor. In seinen auffällig bunten Anzügen mit den noch bunteren Krawatten sah er aus, wie ein typischer, abgedrehter Bösewicht aus irgendwelchen Superhelden Comics. Oder wie die Mafiosi aus den 50er bis 70er Jahren, die damals die Spielcasinos in Las Vegas leiteten. Einfach nur kitschig und wahnsinnig.



Begleitet wurde er zu seiner Rechten von der anderen Wache, Zlatkos Kollege, mit dem Sam bereits Bekanntschaft machen durfte. Ein großer, langhaariger Typ mit schwarzem Stoppelbart und einem durchtrainierten Körper. Sah aus, wie ein typischer Latin Lover. Wahrscheinlich Lateinamerikaner, oder Italiener. Erinnerte Sam aber mehr an Tarzan, oder Jesus.

Zu Colluccis Linken stand ein kleiner dicker Mann mit einem weißen Kittel und einer Art Fernbedienung in der Hand. Er wirkte leicht unsicher und Schweißperlen glänzten auf seiner Halbglatze. Sogar seine runde Brille beschlug davon, weshalb er sie kurz abnahm und mit dem Ärmel seines Kittels reinigte. Was dieser seltsame Professor, oder Wissenschaftler da zu suchen hatte, konnte sich Sam nicht erklären. Aber gewiss war das nichts Gutes.



Grinsend stand Collucci vor Sam und schnipste ihn mit dem Zeigefinger gegen den dicklichen Bauch. Er überragte den kleinen Sam um eine Kopflänge, weshalb er zu Collucci aufschauen musste, wo ihn die gebleckten, gepflegten Zähne anstrahlten. Sein Aftershave vermischte sich mit dem Meeresgeruch und löste eine unterschwellige Aggression in Sam aus. Dann hielt ihm Collucci ein geöffnetes Zigarettenetui aus Krokodilsleder hin.



„Da, nimm mein Freund. Nur keine Scheu“, forderte Collucci ihn mit einer gespielten Freundlichkeit auf, die Sam ihm fast abkaufte. Er griff zu und nahm sich eine Zigarette raus. Ne Zigarette könnte ich jetzt gut gebrauchen.

„Peter, was sind das für Manieren? Las ihn los! Wir behandeln unsere Gäste doch anständig.“



Zlatko ließ sofort Sams Arm los und die Kanone sinken. Sam musste unweigerlich grinsen, auch wenn das in der Situation mehr als unangebracht war. Tsssss….Peter. Zlatko heißt also in Wirklichkeit Peter. Damit ist er gestraft fürs Leben, ging ihm durch den Kopf.

Doch dann fuhr er vor Schreck zusammen, als aus dem Wasserbecken hinter ihm ein lautes Plätschern zu hören war und Wassertropfen auf seinem Nacken landeten. Selbst Peter, alias Zlatko, zuckte kurz zusammen. Aber als Sam sich zu dem Becken umsah, war da nichts als eine weiße Schaumkrone und einige Wellen auf dem Wasser zusehen.



„Hahahaha“, lachte Collucci amüsiert und entzündete ein Zippofeuerzeug, damit Sam sich die Zigarette anstecken konnte. Auch er selbst steckte sich eine an.

„Das war Edna. Sie ist etwas launisch, weil sie Hunger hat. So sind die Damen nun mal.“

Sam bekam es mit der Angst zu tun, versuchte es sich aber nicht anmerken zu lassen, was eher schlecht, als recht funktionierte.

„Hey, nicht so steif. Mach dich mal ein wenig locker, mein kleiner Eindringling. Warum erzählst du mir nicht ein wenig von dir? Warum bist du in meine Villa eingebrochen? Das würde mich brennend interessieren.“

Sam nahm einen tiefen Zug der Zigarette und überlegte, was er am besten Antworten sollte, um den Gangsterboss milde zu stimmen. Obwohl das ein hoffnungsloses Unterfangen sein würde. Er entschied sich für die Halbwahrheit: „Tja, ich wollte den Mann kennen lernen, der für die Explosion des Otto Dups Gebäudes verantwortlich ist. Wissen Sie, in dem Gebäude wohnte meine Schwester, und mein Neffe. Beide nicht mehr am Leben. Genauso, wie hunderte andere Menschen auch. Ich wollte nur mal nachfragen, warum das sein musste. Nur mal so, aus Interesse.“ Der letzte Satz war gelogen.



Colluccis Grinsen wich langsam aus seiner verrückten Jack Nicholson Visage, aber nicht ganz. Die schmalen Lippen verformten sich zu einem angespannten, kleinen Ring und die Krähenfüße wuchsen an, als seine Augen zu zwei bösartigen Schlitzen wurden. Collucci ging ein Licht auf und er checkte sofort, was der kleine, dickliche Typ eigentlich vorhatte.

„Kollateralschäden sind in meinem Business leider unvermeidbar. Wenn deine Schwester und dein Neffe damals bei der Sache ums Leben gekommen sind, dann bedaure ich das sehr. Aber die Bank, die dort im Gebäude war, hatte versucht, mich zu bescheißen. Und dafür mussten die nun mal büßen. Das wirst du doch sicher verstehen, oder? Du bist doch ein schlaues Kerlchen. Und scheinbar auch ganz schön zäh“, Collucci machte eine kurze Pause, um Sam noch einmal zu mustern, „zäh genug, um mich töten zu wollen. Oder?

Darauf reagiere ich sehr allergisch, wenn man versucht, mich umzubringen.“



Das war’s. Sams wahre Intention für den Einbruch in Colluccis Villa war aufgeflogen. Gangsterbosse fanden es generell nicht gut, wenn rachsüchtige Angehörige von Opfern versuchten, sie töten. Verständlich, so was findet natürlich niemand gut. Aber hätte eine andere Lüge genützt? Hätte Sam ihm erzählen sollen, dass sein Frisbee auf Colluccis Grundstück gelandet war und er nur sein Spielzeug wiederholen wollte? Nein, selbst dann hätte der abgedrehte Gangsterboss mit dem kitschigen violetten Anzug und der glänzend grünen Krawatte ihn nicht laufen gelassen. Da war sich Sam sicher.

Also, was soll’s? Ist doch sowieso alles verloren. Dann kann ich ihm auch die Meinung geigen.

Sam blies den Rauch (und zugleich letzten Zug) seiner Zigarette in einem provokanten, langsamen Schwall in Colluccis Gesicht, der zwar seine Augen zusammenkniff, aber ansonsten keine Regung zeigte. Dann folgte ein Feuerwerk an Beleidigungen: „Arschloch. Kindermörder. Bastard. Ohne deine Wachen würde ich dir deine Eier abreißen. Aber wahrscheinlich hast du gar keine. Sonst würdest du nicht deine Lakaien los schicken, um feige Bombenanschläge zu verüben. Und übrigens: in deinem Aufzug siehst du aus, wie eine Schwuchtel.“



Zlatko und Tarzan machten empörte Gesichter und plusterten sich auf, während dem fetten Professor vor Nervosität weiterer Schweiß über die Glatze lief. Collucci grinste immer noch und rieb sich die brennenden Augen, aber seine Mundwinkel wanderten allmählich nach unten. Er sah zu Zlatko rüber und nickte.

Mit einem markerschütternden Aufprall landete der Griff der Beretta in Sams Nacken, wodurch er nach vorne fiel.

Im selben Moment grub sich Colluccis Faust tief in Sams dicken Wanst, gefolgt von einem kräftigen Handkantenschlag gegen den Kopf.

Sam blieb die Luft weg und er kauerte auf den olivgrünen Fliesen. Kleine Sternchen glitzerten vor seinen Augen auf, während er nach Sauerstoff japste. Ein weiterer Schlag hätte ihn wahrscheinlich ausgeknockt.

„Das war sehr hässlich von dir, Fetti. So spricht man doch nicht mit seinem Gastgeber. Haben deine Eltern dir das nicht beigebracht?“ Collucci ging dabei in die Hocke und zog Sams Kopf an den braunen, zersausten Haaren hoch.

„Wenn du deine Schwester und deinen Neffen so vermisst, solltest du ihnen einen Besuch im Himmel abstatten. Oder,….in der Hölle, wo immer sie gerade sind. Na, was hältst du davon, Fetti?“



Davon hielt Sam natürlich nicht viel. Er kam hierher, um Antonius Collucci umzubringen, und nicht, um selbst den Löffel abzugeben. Dass das aber passieren konnte (und nun auch sicher geschehen würde), hatte er sich vorher gedacht. Während Sam nun da kauerte, durch mehrere Schläge niedergestreckt, begann er, sich ein wenig für seine Dummheit zu schämen. Wie konnte er so naiv sein zu glauben, er könne einfach da reinmarschieren und einen der einflussreichsten Verrückten der Welt zur Strecke bringen? Und das alles, bewaffnet mit einem banalen Küchenmesser (das Zlatko und Tarzan ihm schon im Vorgarten abnahmen).

Wie konnte ich nur so bescheuert sein?



„Peter!“ Collucci deutete mit seinem Kinn zu dem Sprungbrett und Zlatko zog Sam an seinem schwarzen Kapuzenpullover nach oben, um ihn anschließend dorthin zu zerren.

Es war ein gewöhnliches Sprungbrett, wie man es aus Schwimmbädern her kannte, einen Meter hoch. Dieses Ding wirkte völlig absurd und deplatziert, genauso wie die ominöse Rutsche, die sich ein paar Meter daneben befand.

Wieder stieß Zlatko den Lauf seiner Waffe in Sams Flanke, um ihn dazu zu bewegen, die zwei Stufen des Sprungbretts hinaufzusteigen. Während Colluccis amüsiertes Grinsen wieder zum Vorschein kam, machten Professor Halbglatze und Tarzan angespannte Gesichter. Sam wusste noch nicht genau, um was es sich bei Edna für eine Kreatur handelte, aber es war sicher kein freundlicher Delphin. Das war ihm klar. Konnte das Ding im Becken ihm mehr Angst einjagen, als die grässliche Kakerlake aus der Zelle? Gut möglich, befand er.



Sobald Sam das Sprungbrett erklommen hatte, zielte Zlatko mit der Beretta auf ihn und befahl: „Weiter! Na los!“ Collucci fügte lachend mit einer eleganten Handbewegung hinzu: „Bis an das Ende, bitte.“

Sams Beine zitterten und sein Kopf dröhnte noch von den Schlägen. Das Tosen der beiden Wasserfälle aus den Rohren tat sein Übriges dazu. Er kam sich vor, wie in diesen Piratenfilmen, wo Gefangene, oder Meuterer von einer Planke des Schiffes ins Meer gestoßen werden.

Mit kleinen Schritten tapste er widerwillig bis an das Ende des Sprungbrettes, das sich unter seinem Gewicht leicht nach unten krümmte. Dabei versuchte er, das Schwindel erregende Gefühl in seinem Kopf zu kontrollieren, um nicht in das nachtblaue Wasser zu fallen, das sich nun direkt unter ihm befand. Und nun erinnerte sich Sam, dass außer Insekten auch tiefe Gewässer zu den Dingen zählten, die ihm immer noch Angst einflössten. Beziehungsweise war es nicht das Wasser selbst, wovor er Angst hatte. Denn das Meer und Seen mochte er. Es war vielmehr die Furcht vor Dem, was in den Tiefen auf ihn lauerte.



Collucci stand an der Ecke des Beckens, zündete sich eine weitere Zigarette an und lachte genüsslich. „Weißt du, Fetti, dass du großes Glück hast? Denn heute lernst du eine ganz besondere Dame kennen. So was hat die Welt echt noch nicht gesehen, und DU hast die Ehre, meine neueste Errungenschaft life zu erleben“, dabei lief er am Beckenrand auf und ab und gestikulierte wie ein Zirkusdirektor, der seinem Publikum Löwen und Clowns schmackhaft machte.

„Ach übrigens, wie unhöflich von mir. Ich habe noch gar nicht nach deinem Namen gefragt.“

Aber anstatt zu antworten, beobachtete Sam das riesige Schwimmbecken und versuchte zu erkennen, was sich da in den Untiefen befand. Aber er konnte nichts als tiefblaue Schwärze sehen.

Collucci sabbelte weiter: „Na gut, dann nicht. Ich nenne dich einfach weiterhin Fetti. Das passt sehr gut zu dir. Ich glaube, Edna wird sich über deinen Speck freuen. Aber vorher, sollten wir ihr einen kleinen Appetitanreger gönnen. Dann kannst du dir auch gleich ein Bild von ihr machen. Sie wird dir gefallen, Fetti. Sie ist wunderschön.“

Aus gemäßigter Furcht, wurde nun Angst, und Sams Blicke wanderten nun verzweifelt durch die Halle. Was genau er da zu sehen hoffte, wusste er selbst nicht genau. Mögliche Fluchtwege hätten ihm sowieso nichts genützt, wenn Zlatko, oder Tarzan ihm eine Kugel verpassen würden.

Collucci wandte sich an den dicken Mann mit dem weißen Kittel, lächelte ihn an und nickte. Es war dieses typische Du-weißt-was-du- zu- tun- hast-Nicken.

Sam bemerkte, dass dem seltsamen Professor (oder was immer er auch war) nicht gefiel, was da gerade ablief. Und es sah so aus, als wolle dieser Mann gerade einen Einwand aussprechen, den er aber im Keim erstickte, als er Colluccis wahnsinniges Gesicht sah. Und auch Zlatko, der immer noch die Waffe auf Sam gerichtet hielt, sah nicht begeistert aus. Er wirkte nervös und Schweiß lief ihm über das breite, markante Gesicht. Der einzige, der Colluccis Grinsen teilte, war der Tarzan mit den langen Haaren. Seine braunen Augen wirkten treu-doof und dämlich. Wahrscheinlich hatte dieser Typ nur Colluccis Geld, Frauen und Kokain im Sinn.



Professor Halbglatze atmete tief durch, zielte mit der seltsamen Fernbedienung auf die Luke am oberen Ende der ominösen Rutsche (die sich rechts neben Sam befand), und betätigte einen Knopf. Die Luke öffnete sich und Sam konnte zunächst nur schwer erkennen, was sich dahinter befand. Es sah aus, wie ein Schacht voller silbrig glänzender Säcke, die aufeinander lagen. Ein leichter Wasserfilm strömte die Rutsche hinab und plötzlich löste sich eines der glänzenden Säcke aus dem Haufen, und kullerte die Rutsche hinunter. Dabei gab das Ding ein wehklagendes Möööööööö von sich.

Platsch….es landete im Wasserbecken. Zunächst ging es unter, kam dann aber doch wieder zum Vorschein und streckte einen kleinen, niedlichen Kopf mit schwarzen Kulleraugen aus dem Wasser. Möööööööööööö

„Du *********!!!!Du bist doch krank!“, feuerte Sam Collucci entgegen, als er erkannte, dass die arme Kreatur eine geschwächte Robbe war. Und auch die anderen silbrig glänzenden Säcke hinter der Luke waren Robben. Aufeinander gestapelte, zusammen gequetschte süße Robben, von denen einige sicher schon tot waren. Die Luke schloss sich wieder.

Sam erinnerte sich an die roten Kaugummiautomaten, die in seiner Kindheit überall an den Strassenecken aufgestellt waren. Man warf einige Groschen ein, drehte einen Hebel, und es wurde ein Kaugummi freigegeben.

Diese Rutsche und der Schacht waren im Grunde genommen nichts anderes, als ein überdimensionaler Kaugummiautomat, gefüllt mit Robben. Heilige Scheiße, wie krank dieser Typ doch ist.



Das Mitleid erregende Tier schien sichtlich geschwächt und trieb fast bewegungslos im Wasser, das leichte Wellen schlug. Dabei verschwand der kleine Kopf ab und zu, tauchte aber immer wieder auf. Möööööööö, mööööööööööö

„Jaaaaaaaa, jaaaa wollll! Hahaha. Gleich geht’s los. Fetti, genieß die Show! Hahaha.“

Collucci verwandelte sich in ein kleines, aufgeregtes Kind, das sich auf die Zirkusshow freute. Er lief auf und ab und rieb sich die Hände. Zwischendurch klopfte er mit übertriebener Härte dem Professor und seiner Wache Tarzan auf die Schulter, um sie dazu zu ermuntern, sich mit ihm zu freuen. Aber außer dem langhaarigen Tarzan, lachte keiner.

Sam wusste noch nicht genau, was gesehen würde, aber war sich sicher, dass es blutig enden würde. Er tat ein paar Schritte zurück und sah, dass Zlatko das nicht bemerkte. Dieser hatte inzwischen seine Pistole runter genommen und beobachtete mit schockiertem Gesichtsausdruck das Geschehen im Wasser.

Okay, wenn selbst Peter alias Zlatko solchen Bammel hat, dann ist das kein Gutes Zeichen. Ganz und gar nicht gut. Heilige Scheiße.



Auch Sam richtete seinen Blick nun dem Spektakel zu und suchte in den Untiefen nach dem Ding, das Edna hieß. Und diesmal konnte er was erkennen.

„Hui, ist das spannend. Da kommt sie!“, rief Collucci und klatschte dabei wie ein kleines Mädchen in die Hände, die ihren Superstar auf der Bühne erlebt.

Aus den 99 Metern Tiefe stieg langsam ein Schatten hervor, der deutlich dunkler war, als das tiefe Blau des Wassers. Dabei zog es Kreise, wofür es das gesamte Becken in Anspruch nahm. Einige Male konnte Sam es dabei unter dem Sprungbrett, und somit direkt unter seinen Füßen, durchs Wasser gleiten sehen.

Ob die arme Robbe die von unten drohende Gefahr spüren konnte, wusste Sam nicht genau. Sie trieb nach wie vor fast regungslos im Wasser, wie eine Boje, und heulte ab und zu auf. Mööööööööö, mööööööööööö.

Aber ihre glänzenden Kulleraugen schienen zu sagen: „Möööööö,….Sam…..hol mich hier raus……Sam……..ich habe Angst, hilf mir….mööööööö.“



Das schwarze Objekt aus der Tiefe kam mit jedem Kreis, den es durch das Becken zog, immer weiter in Richtung Oberfläche, und je weiter es stieg, desto deutlicher wurde die schiere Größe dieses Edna genannten Monsters.

Was zum Teufel ist das? Ein Hai? Nein, so große Haie gibt es nicht. Außer ein großer Weißer. Aber das ist unmöglich. Woher sollte das ********* einen weißen Hai her haben? Obwohl, mit dem vielen Geld, was Collucci hat, ist wahrscheinlich auch das möglich. Vielleicht besitzt er noch Dinosaurier, irgendwo draußen in seinem Privatpark?



Während sich Collucci voller Freude die Fäuste vor sein Jack Nicholson Grinsen hielt, um nicht vor wahnsinniger Erregung los zu schreien, schlug Edna einen Harken und schwamm bis an den äußersten Rand des Beckens, wo sie Kehrt machte. Damit hatte das Mistvieh genug Anlauf, um plötzlich loszupreschen und mörderische Fahrt aufzunehmen.

Sie steuerte direkt auf die Arme Robbe zu, die sich nur einige Meter schräg vor Sam befand. Er hatte das Gefühl, als ob ein zehn Meter langer Torpedo auf ihn zu rast und nicht nur die Robbe, sondern auch ihn selbst in wenigen Sekunden in den Tod reißen würde. Fast verlor er das Gleichgewicht und ging auf die Knie, um sich an dem Sprungbrett festzuklammern.

Das Letzte, was er von der Robbe sah, war ihr niedlicher kleiner Kopf mit den tränenden Kulleraugen, der in einem aufsteigenden, roten Schlund verschwand. Ein Schlund, so groß, dass auch Sam an einem Stück dort drin verschwinden könnte.

Er kniff die Augen zusammen, um sie vor dem spritzenden Wasser zuschützen, das ihm entgegen kam. Dann sah er, wie Edna gemächlich unter dem Sprungbrett entlang schwamm, wobei eine große, gelbe Rückenflosse aus dem Wasser ragte. Hätte Sam seine Hand ausgestreckt, hätte er sie berühren können. Der schwarze Rücken der Kreatur glänzte im Schein der Halogenstrahler in wunderschönen Silber- und Blautönen und war bestückt mit einer Reihe kleiner Zacken, die sich bis zur ebenfalls gelben Schwanzflosse erstreckten.

Genau, wie Collucci schon sagte: „So was hat die Welt echt noch nicht gesehen!



Was Edna für eine Spezies war, wusste Sam immer noch nicht. Aber was er da majestätisch durchs Wasser gleiten sah, war ein Fisch mit wunderschönen Farben, in der Größe eines kleinen U Bootes. Heilige Scheiße, ein U Boot, das mich auf einen Schlag verschlingen könnte, ging ihm durch den Kopf.

Der Riesenfisch zog weitere Bahnen an der Wasseroberfläche, wie Haie es tun, aber Edna war keiner. Sam konnte nun auch den Kopf des Ungetümes erkennen, das mit zwei tellergroßen Fischaugen bestückt war, die ihn zu beobachten schienen. Hin und wieder drehte sich Edna leicht zur Seite und öffnete ihr Fischmaul, als wolle sie Sam damit sagen: „Ich freue mich schon auf dich, Süßer. Du wirst mir besser schmecken, als diese Robbe, du Fettsack.“

Dabei sah er, wie das Wasser durch den mit stecknadelartigen Zähnen besetzten Schlund strömte, und an den Kiemen wieder austrat. Die Zelle mit der Kakerlake wäre ihm nun doch lieber gewesen.



„Muhahahahahaha! War das nicht….GEIL?“, fragte Collucci alle Anwesenden und rüttelte in der Hoffnung auf Zustimmung Professor Halbglatze, dem immer noch die Unsicherheit aufs Gesicht geschrieben stand. Dann wandte er sich wieder an Sam: „Und? Wie findest du Edna? Ist hübsch, nicht wahr? Eine Kreuzung aus Thunfisch und Blauen Marlin. Möglich gemacht durch meine private Forschungsabteilung“, dabei klopfte er Professor Halbglatze freundschaftlich auf die Schulter.

„Ich habe keine Kosten gescheut. Weißt du, Fetti, ich habe eine Schwäche für extravagante Dinge. Dazu gehören auch schöne Haustiere. Früher hatte ich mal Tiger und Elefanten. Aber die wurden mir zu langweilig. Ich wollte etwas Besonderes haben, ….etwas, dass es noch nicht gibt. Und nun erfreue ich mich an diesen wunderschönen Fisch. Na, was hältst du davon?“

Sam kauerte immer noch festgeklammert auf dem Sprungbrett und versuchte, Edna nicht aus den Augen zu lassen. Er befürchtete, sie könne aus dem Wasser springen und ihn direkt vom Brett wegnaschen. Währenddessen ratterte sein Gehirn, um nach einen Ausweg aus dieser vermaledeiten Lage zu suchen. Er überlegte kurz, ob er anfangen sollte, zu flennen, und den verrückten Bastard um Gnade anzuwinseln. Als ihm aber dann seine tote Schwester und ihr kleiner Sohn in Erinnerung kamen, hielt er nichts von der Idee. Im Gegenteil. Die Wut brodelte wieder auf, die ihn Stunden zuvor dorthin trieb. Aber wenigsten ließ er sich darauf ein, Collucci nicht weiter zu Duzen.

„Sie sind echt bemerkenswert. Und ich muss zugeben, dass ich von ihrem Haustier echt begeistert bin, auch wenn ich mir gerade in die Hose scheiße vor Angst.“

Daraufhin musste Collucci zufrieden lächeln. Scheinbar fühlte sich der alte Bastard geschmeichelt.

„Aber, warum tun Sie das alles? Warum töten Sie Menschen? Sie haben doch Geld, ohne Ende. Sie können sich damit ein schönes Leben machen und bräuchten kein Tod und Leid mehr über andere zu bringen. Und ja, Sie hatten Recht. Ich bin hier in Ihre Villa eingebrochen, um Sie irgendwie zu stoppen. Aber nun, da ich gesehen habe, dass Sie auch etwas Schönes erschaffen können (Sam deutete dabei auf Edna), habe ich meine Meinung geändert.“



Außer dem Tosen der Wasserfälle aus den Rohren herrschte kurze Zeit eine peinliche Stille. Sam wartete gespannt auf eine Antwort. Aber innerlich wusste er, dass er es mit einem Psychopathen zu tun hatte. Und Psychopathen kann man nicht ins Gewissen reden, denn sie haben keins.

Und plötzlich explodierte Antonius Collucci förmlich vor Lachen. Er kringelte sich geradezu. Auch Tarzan lachte laut auf, allerdings nur, um seinem Boss in den Arsch zu kriechen. Der Dummkopf wirkte die ganze Zeit geistesabwesend und hatte sicher keinen Schimmer, warum sein psychopathischer Chef in Gelächter ausbrach.

Dann fing sich Collucci wieder, steckte sich eine Zigarette an und gab Zlatko den Befehl: „Peter! Lass Fetti ne Runde schwimmen!“



Sam blickte aus der Hocke zu Zlatko auf, der einen Moment zögerte. Auch er schien geistesabwesend, denn er starrte während den Geschehnissen immer wieder zu der Rutsche und der Luke weiter oben auf. Irgendwas stimmte mit ihm nicht, aber er hob seine Beretta und zielte trotzdem auf Sam.

„Na los! Spring! Los!“, forderte er Sam auf. Aber dieser dachte gar nicht dran, der Aufforderung nachzukommen. Er legte sich auf den Bauch und klammerte sich nun noch fester an das Sprungbrett. Edna war inzwischen wieder abgetaucht und nicht mehr zu sehen. Aber sie lauerte dort unten irgendwo und war sicher noch nicht satt.

Zlatko schaute verunsichert zu Collucci rüber, der nun nicht mehr lachte, sondern ziemlich sauer wurde: „Na los, du Trottel, lass den Fettsack schwimmen! Schieß endlich, du dämlicher Holzkopf. Wofür bezahl ich dich eigentlich?“



Zlatko tat, wie ihm befohlen, und feuerte. Der Schuss hallte in dem großen Raum laut wider, und kurz dachte Sam, er hätte ihm in den Hintern geschossen. Es zwickte dort merkwürdig. Nachdem er aber seine Augen aufriss und nach hinten sah, erblickte er nur ein Einschussloch im Sprungbrett. Zlatko hatte ihn nicht getroffen, obwohl er das hätte tun können.

Dann stieg der kräftige Wachmann ebenfalls auf das Sprungbrett und fing an, zu wippen, damit Sam den Halt verlieren und ins Wasser stürzen würde. Zlatko war ein muskulöser Brocken, sicher über 100 Kilo schwer, und das Sprungbrett begann dementsprechend gewaltig zu federn. Dennoch wirkte es auf alle Anwesenden ziemlich halbherzig, wie er seinen Job machte.

Plötzlich spritzte eine Ladung Wasser aus dem Becken und Zlatko sprang rückwärts vom Brett ab, wobei er ein ziemlich erschrockenes Gesicht machte, wie Sam feststellte. Als Sam wieder ins Wasser blickte, sah er den großen glänzenden Rücken mit der gelben Flosse unter sich vorbei gleiten. Wenn ich hier nicht bald runter komme, lutscht mich das Mistvieh direkt vom Brett runter. Sam am Stiel.



Collucci tobte vor Wut und schrie Zlatko vom Beckenrand an, wie ein Fussballtrainer seine Mannschaft vom Spielfeldrand anmaulen würde. Zlatko tat sich sichtlich schwer damit, Sam vom Brett zu scheuchen. Wenn Sam nicht bald etwas Gutes einfiel, würde Tarzan, oder Collucci selbst die Aufgabe übernehmen, und dann würde er als Fischfutter enden.



Zlatko betrat erneut das Sprungbrett, richtete seine Waffe auf Sam und befahl ihm, los zulassen. Diesmal schien er entschlossener zu sein. Die erste Kugel ging daneben, ob mit Absicht, oder nicht. Aber die Zweite würde sitzen, da war sich Sam sicher. Er ließ das Sprungbrett los, drehte sich auf den Knien zu Zlatko um, und starrte in den Lauf der Waffe, die von einem muskulösen Arm mit einer Tätowierung gehalten wurde.

Möööööööööö, mööööööööö, mööööööööööööööööö



Da waren sie wieder, die Leidensbekundungen der Robben, die oben im Schacht hinter der Luke eingepfercht waren. Scheinbar waren noch viele der armen Tierchen am Leben, oder es handelte sich um die Schreie der Robbengeister. Doch was wirklich interessant war, war zu sehen, wie Zlatko völlig verstört zum oberen Ende der Rutsche hinauf starrte. Aus irgendeinem Grund machte ihn das Geheule der Robben hinter der Luke zu schaffen. Und als Sam sich die Tätowierung auf Zlatkos Arm genauer ansah, ging ihm ein Licht auf.

Es war ein schönes Tattoo, das einen Hund zeigte. Sam erkannte nicht genau, was für eine Rasse es war (sah aus, wie ein Kampfhund, oder eine Bulldogge), aber es war sehr realistisch gezeichnet. Wie ein Portrait. Darunter befand sich etwas geschrieben, was Sam aber nicht genau erkennen konnte. Es sah aus, wie ein Datum.

Niemand würde sich ohne Grund ein solch fotorealistisches Bild eines Hundes stechen lassen, wenn es nicht eine tiefere Bedeutung hätte. Und Anhand des scheinbaren Datums unter dem Bild wurde Sam bewusst, dass der gute Zlatko wahrscheinlich einst diesen Hund verlor und schmerzlich vermisste. Der Hund auf seinem Arm blickte genauso armselig drein, wie die kleine Robbe, die es sich nun in Ednas Bauch bequem gemacht hatte.

Sam kannte diese Art Menschen. Harte Kerle, Muskelprotze, deren Herzen beim Anblick süßer Tiere erweichen und für die ein Hund der tatsächlich beste Freund im Leben ist.

Wahrscheinlich hatten sich die schwarzen Kulleraugen der kleinen Robbe genauso in Zlatkos Gedächtnis gebrannt, wie der letzte treu doofe Blick seines verstorbenen Hundes. Konnte Sam diese Tatsachen auszunutzen, um der ausweglosen Situation doch noch zu entkommen? Unwahrscheinlich, aber einen Versuch, ist es wert, dachte er sich.



„Zlatko!!!“, rief Sam. Aber alle Beteiligten starrten sich nur ratlos an.

„Zlatko, hör mir zu!“

Collucci zuckte mit den Schultern und fragte verwirrt: „Wer zum Teufel ist Zlatko?“

Aber der, wusste wer gemeint war, denn Sam sah ihn an.

„Zlatko, Peter, mein Freund. Dein Chef ist ein Psychopath. Er bringt Kinder um. Und Tiere. Hast du gesehen, wie er die Kleinen behandelt? Wie sie da oben eingepfercht sind? Er würde das Gleiche auch mit Hunden tun. Willst du das? Robben und Hunde sind miteinander verwandt.“ Ob letzteres wirklich stimmte, wusste Sam selbst nicht. Aber es war jetzt wichtig, den Kraftprotz auf seine Seite zu ziehen. Und als dieser, fast den Tränen nahe, auf seinen Arm starrte, und sich das Bild seines Hundes ansah, schien es zu wirken. Seine dicken Augenwülste schoben sich über die eisblauen Augen, aus denen Trauer und Wut zu gleich sprachen.

Collucci verlor die Fassung und beschimpfte Peter als Versager und Memme, dann entriss er Tarzan neben sich die Waffe, die noch im Holster an seinem Gürtel steckte, zielte auf Sam und fauchte: „Alles muss man hier selber machen, verdammte Scheiße!“

Dann knallte es. Peng…..Peng, Peng



Sam öffnete langsam die Augen, die er dem Tode geweiht zusammengekniffen hatte. Er blickte an seinen Körper hinunter, um Einschusslöcher zu finden. Aber da war nichts. Nur seine Knie schmerzten wieder, auf denen er nun die letzten Minuten gekauert hatte. Er sah zum Anfang des Sprungbrettes, wo Peter alias Zlatko mit ausgestreckter Waffe stand, und auf die drei anderen Männer zielte. Sam bemerkte, dass er am Arm blutete. Genau an der Stelle, an der sein Hund als Tattoo abgebildet war. Der Hund blutete direkt aus der Stirn.

Am anderen Beckenrand stand Collucci, wortlos, zitternd und grinsend. Als er zu lachen begann, sprudelte tiefrotes Blut aus seinem Mund und besudelte sein violettes Jackett, an dem sich zwei Einschusslöcher befanden. Und mit dem gleichen Jack Nicholson Grinsen, mit dem er die Halle betrat, sank er nun zu Boden und blieb am Beckenrand liegen. Er brach zusammen, wie ein Kartenhaus.

Tarzan und Professor Halbglatze betrachteten ihren am Boden liegenden Chef. Sie machten zwar große Augen, schienen dann aber ziemlich ungerührt. Der dicke Mann im weißen Kittel stemmte seinen Fuss gegen den zusammengesackten Körper und versuchte ihn ins Becken zu schieben. Nachdem das nicht ganz gelang, half auch Tarzan mit. So ganz dämlich schien der Typ doch nicht zu sein.

Der blutige Leichnam sank ins Wasser hinab und verschwand in den heranbrausenden Schlund seiner liebsten Edna.



Nach einigen Sekunden Stille lief Tarzan plötzlich los, klatschte in die Hände und stieß ein jubelndes „Yeeah!“ aus. Dann verschwand er aus einer der Türen, die aus der Schwimmhalle hinausführten. Wahrscheinlich würde der Vogel jetzt Colluccis Villa ausräumen und sich aus dem Staub machen.

Sam sah sich zu Zlatko um, der auch ihn ansah.

„Danke, mein Freund“, sagte Sam leise. Der muskulöse Wachmann nickte und wies Sam an, zu verschwinden. Dann ging er zu Professor Halbglatze und wechselte ein paar Worte mit ihm, wobei er auf die Luke am oberen Ende der Rutsche deutete. Sam wusste, was Zlatko vorhatte. Aber für ihn selbst wäre es besser, von dort zu verschwinden. Und so machte sich Sam vom Acker.





Lil Sams Erlebnisse, ein Auszug

Aucun commentaire:

Enregistrer un commentaire